Gerhard Kammerlander
Die ambulante Wundversorgung ist ein essenzieller Bestandteil des Gesundheitswesens in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Chronische Wunden, wie Ulcus cruris, diabetische Fußulzera oder Dekubitalgeschwüre, stellen eine zunehmende Herausforderung dar.
Die Versorgung dieser Patienten erfordert spezialisierte Kenntnisse, eine abgestimmte interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine angemessene Vergütung. Dieser Artikel beleuchtet die gesetzlichen Grundlagen, Modalitäten der Abrechnung und identifiziert Unterschiede sowie Herausforderungen in den drei Ländern.
Gesetzliche Grundlagen
Deutschland
In Deutschland ist die ambulante Wundversorgung stark durch das Sozialgesetzbuch V (SGB V) geregelt. Die Leistungserbringung erfolgt primär durch niedergelassene Ärzte, spezialisierte Wundzentren und ambulante Pflegedienste. Medizinische Produkte zur Wundversorgung werden über Hilfsmittelkataloge abgerechnet, deren Verordnung genehmigungspflichtig sein kann.
Besondere Hürden bestehen durch:
- den hohen Dokumentationsaufwand,
- Einschränkungen bei der Verordnung von modernen Wundauflagen,
- regionale Unterschiede in der Genehmigungspraxis durch Krankenkassen,
- oftmals ungenügende Zeitressourcen pro Prüfungsintervall bei praxisnahen Behandlungsprüfungen im ambulanten Bereich sowie hinsichtlich wissenschaftlichen Erkenntnissen und langjähriger Praxiserfahrung ungenügend fachlich kompetente Prüfer. Aus eigener jahrzehntelanger Erfahrung des Autors sind zur seriösen Qualitätsüberprüfung inklusive umfassendem schriftlichen Bericht plus Teamsitzung mit der Ergebnisbesprechung 2 Tage eine vernünftige Basis.
- Anfänglich einmal im Jahr: Bei stabilem Personalstamm, unterstützt durch eine bestehende interne Qualitätssicherung mit jährlichem Bericht. Bei personalstabilen Teams kann nach 2–3 Visitierungen der vor Ort Überprüfungszeitraum auf 2–3 Jahre ausgedehnt werden. Bei einem Personalwechsel des qualifizierten Wundbehandlungspersonals von mehr als 15% pro Jahr, müssen die Prüfungsintervalle wieder verkürzt werden (dynamischer Prozess) bis zur sicheren Stabilisierung des Behandlungsteams.
Österreich
In Österreich ist die Wundversorgung über die Krankenkassenleistungen der jeweiligen Gebietskrankenkassen (GKK/
ÖGK) geregelt. Hausärzte übernehmen oft die Hauptverantwortung, unterstützt von mobilen Pflegediensten. Österreich ist bekannt für innovative Ansätze wie spezialisierte „Wundmanager“, die eng mit Ärzten und Krankenhäusern zusammenarbeiten.
Ein aktueller Vorteil in Österreich:
Ambulante pflegende Wundspezialistinnen und -spezialisten dürfen nach erfolgreichem Abschluss eines Einführungskurses der jeweiligen Krankenkasse Verbandstoffe eigenständig verordnen. Eine Verordnung über den zuständigen Haus- oder Facharzt ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Das ergibt für beide Berufsgruppen eine enorme Arbeitserleichterung zum Vorteil auch der Patienten.
Jedoch gibt es Herausforderungen:
- Mangel an standardisierten Behandlungskontrollen der ausführenden Wundspezialisten durch qualifizierte und erfahrene Prüfer,
- Unterschiede in der Verfügbarkeit von spezialisierten Wundmanagementangeboten in ländlichen Regionen
- Erschwerend kommt hinzu, dass eine flächendeckende Wundbehandlung durch qualifiziertes Pflegepersonal im ambulanten Bereich nicht von den Kassen oder nur über Umwege, teilweise bezahlt wird. Hier gibt es in Österreich regulatorisch noch um eine Mammutaufgabe für die Gesundheitspolitik.
- Hinsichtlich der Prüfungsart und Intensität spezialisierter ambulanter Wundbehandlungseinrichtungen gelten dieselben Grundregeln, welche wie zuvor im Abschnitt Deutschland und besondere Hürden darstellen.
Schweiz
Die Schweiz hat ein stark dezentrales Gesundheitssystem, das die ambulante Wundversorgung auf kantonaler Ebene regelt. Die Finanzierung erfolgt über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) in Kombination mit zusätzlichen privaten Versicherungen. Pflegefachkräfte mit Spezialisierung auf Wundmanagement spielen eine tragende Rolle. Modernste Wundauflagen sind üblicherweise besser verfügbar als in Deutschland oder Österreich.
Besondere Vorteile in der Schweiz:
- Die Bezahlung der ambulanten Wundbehandlung durch qualifiziertes Pflegepersonal ist klar geregelt,
- Ebenso ist die Zusammenarbeit im ambulanten Bereich zwischen Ärzten, qualifiziertem Pflegepersonal und Krankenkassen klar und sauber und einfach geregelt,
- Die Krankenkassen übernehmen innerhalb eines Bezahlrahmens (MIGEL-Liste) alle aufgeführten Produkte mit festgelegten Preisspannen. Ebenso wird die pflegerische Arbeitsleistung unproblematisch, nach klaren Vorgaben, rasch bezahlt. Der Patient wird massiv entlastet und die Behandlungsqualität massiv gefördert.
Besondere Hürden in der Schweiz:
Sind zum aktuellen Zeitpunkt im Gegensatz zu Deutschland und Österreich nicht zu verzeichnen.
Modalitäten der Abrechnung
Deutschland
Die Abrechnung erfolgt über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für Ärzte und über Vereinbarungen mit ambulanten Pflegediensten. Viele Wundversorgungsleistungen fallen unter Pauschalen, was bei komplexen Fällen zu einer Unterfinanzierung führen kann. Zusätzlich gibt es Selektivverträge zwischen Kassen und Wundzentren, die jedoch aktuell noch nicht flächendeckend verfügbar sind.
Österreich
Die Kostenübernahme erfolgt über die Gebietskrankenkassen (ÖGK), jedoch ist die Abrechnung komplex, da mobile Dienste teilweise über separate Budgets finanziert werden. Spezialisierte Wundmanager werden aktuell ungenügend projektbasiert gefördert.
Schweiz
Die Abrechnung erfolgt über Tarifvereinbarungen wie TARMED (für Ärzte) und LEP (für Pflegeleistungen). Moderne Wundauflagen werden im Rahmen der MIGEL-Liste über die OKP gedeckt.
Fortschrittlichkeit und Herausforderungen
Fortschrittlichstes Land: Schweiz
Die Schweiz zeichnet sich durch gut ausgebildete Wundexperten und ZWM-ZertifizierteWundManager, eine bessere Verfügbarkeit moderner Therapien und eine hohe Qualität der Dokumentation aus. Zusätzlich sind die ambulanten Abrechnungsmodalitäten in der Schweiz klar geregelt und gewährleisten dadurch mehr und mehr die Etablierung spezialisierter Wundbehandlungseinrichtungen und spezialisierter SPITEX-Betriebe.
Größte Probleme: Deutschland
In Deutschland führen bürokratische Hürden, begrenzte Budgets und regionale Unterschiede zu einer oft inadäquaten Versorgung. Der Innovationsgrad ist geringer, und moderne Therapien werden häufig nur zögerlich übernommen.
Zwischenposition Österreich
Österreich hat eine solide Grundlage durch spezialisierte Wundmanager, jedoch sind diese nicht flächendeckend verfügbar, und die ländliche Versorgung bleibt herausfordernd.
Die Bezahlung der spezialisierten Pflegenden im ambulanten Bereich ist aktuell ungenügend geregelt und erschwert dadurch massiv den Ausbau spezialisierter ambulanter Wundbehandlungseinrichtungen.
Fazit und Ausblick
Die ambulante Wundversorgung steht in allen drei Ländern vor Herausforderungen, wobei die Schweiz durch bessere Rahmenbedingungen und Innovationen führt. Deutschland sollte seine regulatorischen Hürden abbauen und die Vergütung an den tatsächlichen Versorgungsaufwand anpassen. Österreich könnte von einer Übernahme bewährter schweizerischer Ansätze profitieren.
Autor:
Gerhard Kammerlander, MBA. Akad. BO, DGKP/ZWM®, GF – WKZ®-WundKompetenzZentrum® Linz (AT) und Embrach /Zürich (CH), GF – Akademie-ZWM®, Embrach/Zurich (CH) und Linz (AT); Präsident ARGE ZWM®-ZertifizierterWundManager®, Akademie-ZWM® AG, Schützenhausstr. 30, CH-8424 Embrach, www.akademie-zwm.ch – No conflict of interests
Weiterführende Literatur:
- BMSGPK (2022): Kurzübersicht zur Vorbereitung des Qualitätsstandards Management chronischer Wunden. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Wien
- Kurzübersicht zur Vorbereitung des Qualitätsstandards Management chronischer Wunden: chromeextension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://jasmin.goeg.at/id/eprint/2391/4/Kurz%C3%BCbersicht%20zur%20Vorbereitung%20des%20QS%20Management%20chron.%20Wunden_bf.pdf
- Bundesministerium für Gesundheit (2024). „Bericht zur ambulanten Versorgung in Deutschland.“ https://t1p.de/v6piz
- Rechtsdepeche, Michael Schanz, 2024, Das neue Qualifikationsprofil in der Wundversorgung – für alle Bereiche bindend? ttps://t1p.de/sv758
- Mittel und Gegenständeliste (MIGEL) Schweiz https://t1p.de/91srl